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Wettbewerbsfähigkeit: keine Angst vor der Zukunft

Die Digitalisierung verändert Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend. Unternehmen jeder Größe müssen sich darauf einstellen und ihre Geschäfts­modelle oder Strukturen entsprechend anpassen. Bei diesem Wandel kann sie der Steuerberater begleiten.

Text: Eva Müller-Tauber


Handar­beit ste­ht für Qual­ität und Einzi­gar­tigkeit, aber sie kostet viel Zeit und Mühe. Tom Büt­tner, Inhab­er des gle­ich­nami­gen Reit­sport­fach­mark­ts in Dres­den, kann davon ein Lied sin­gen. Zum Fer­ti­gen eines Sat­tels musste er früher den Pfer­derück­en mit Biege­lin­ealen ausmessen und danach aus Pappe eine drei­di­men­sion­ale Weg­w­erf­sch­ablone als Vor­lage formen.

Diesen Aufwand wollte er nicht länger akzep­tieren. Kaum hat­te der Branchen­ver­band 2008 ein ein­heitlich­es Pfer­derück­en-Messsys­tem fest­gelegt, entwick­elte der Sat­tler­meis­ter mit zwei Part­ner­fir­men und dem Bere­ich Bio­mechanik der TU Dres­den als Ersatz für Weg­w­erf­sch­ablo­nen einen dig­i­tal ges­teuerten Pfer­derück­en­ab­bilder. Die Form des Tiers wird per han­dlichem 3‑D-Scan­ner erfasst, Büt­tners paten­tiertes Gerät – ein fein justier­bares Met­allgestell – kann sie anhand der Dat­en per­fekt repro­duzieren. Auf dieser natur­ge­treuen Nach­bil­dung wird der zu bear­bei­t­ende Sat­tel platziert. „Sat­tel­baum und Pol­ster lassen sich so indi­vidu­ell und opti­mal anpassen“, erk­lärt der Fir­menchef. Er muss auch nicht mehr zum Ermit­teln der Dat­en anreisen, son­dern lässt einen Scan­ner zum Kun­den schick­en – sog­ar ins Aus­land. Ein Reitlehrer, Osteopath oder Reit­er kann dann dort selb­st den Pfer­derück­en ausmessen. Inzwis­chen arbeit­et Büt­tner bere­its an Sen­soren im Sat­tel, die sig­nal­isieren, dass eine Ein­stel­lung oder Erneuerung nötig ist.

Mittelstand hat Nachholbedarf

Dieses Beispiel zeigt ein­drucksvoll, welche Chance die Dig­i­tal­isierung der Wirtschaft quer durch alle Branchen und Betrieb­s­größen eröffnet: Sie opti­miert Prozesse, ermöglicht das Erschließen neuer Kun­den­grup­pen, erle­ichtert Koop­er­a­tio­nen sowie die Ver­net­zung von Men­sch und Mas­chine, rev­o­lu­tion­iert Geschäftsmod­elle. Die meis­ten deutschen Unternehmer sind sich dessen zwar bewusst. „Den­noch gibt es vor allem bei den kleineren und mit­tleren noch Nach­holbe­darf – ger­ade in punc­to Umset­zung“, sagt Rahild Neuburg­er, Geschäfts­führerin des „Münch­n­er Kreis­es“, der als unab­hängige Plat­tform Ori­en­tierung in der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion bietet. Diese Aus­sage stützt eine repräsen­ta­tive Studie des Branchen­ver­bands BITKOM: Dem­nach meinen die meis­ten der 500 Befragten, die Dig­i­tal­isierung sei gle­ichauf mit dem Fachkräfte­man­gel die für sie derzeit größte Her­aus­forderung. Und jed­er Dritte gibt Prob­leme bei der Dig­i­tal­isierung zu.

Die Gründe hier­für dürften so vielfältig sein wie das The­ma an sich. „Die Dig­i­tal­isierung durch­dringt sämtliche Lebens­bere­iche“, so Neuburg­er. Neue tech­nis­che Möglichkeit­en und die enge Ver­net­zung mit allem und jedem verän­derten die Gesellschaft, was andere Kun­denbedürfnisse erzeuge, etwa in der Mobil­ität: „Die Men­schen woll­ten heute nicht mehr nur von A nach B, son­dern während der Fahrt über mobile Endgeräte kom­mu­nizieren, sich informieren und Geschäfte erledi­gen“. Einige Pro­duk­te sind nur noch für kleine Ziel­grup­pen inter­es­sant – Fotoap­pa­rate etwa, weil jedes Smartphone
eine Kam­era enthält. Und tra­di­tionelle Berufs­bilder ste­hen zur Diskus­sion – holt beispiel­sweise der Zah­narzt den Zah­n­er­satz aus dem 3‑D-Druck­er, braucht er
keinen Zah­n­tech­niker mehr.

Adäquat auf solche Entwick­lun­gen zu reagieren, erfordere indi­vidu­elle, ganzheitliche Strate­gien und ein Umdenken, sagt Neuburg­er: „Kern­frage ist, wie sich Kun­den­wün­sche in ein­er dig­i­tal­en Welt ändern und Unternehmen ihre Geschäftsmod­elle anpassen müssen.“ Eine große Her­aus­forderung ist die Schnel­ligkeit. Anfangs unter­stützte die IT nur Prozesse, jet­zt wer­den Prozesse selb­st dig­i­tal­isiert. Bald dürften mit Werk­stück­en ver­net­zte Maschi­nen und Robot­er ihre Arbeit eigen­ständig erledi­gen oder Autos autonom fahren. Der dig­i­tale Wan­del het­zt atem­los vor­wärts. Wer eine Idee hat, muss sie rasch zur Mark­treife brin­gen. „Son­st beste­ht die Gefahr, dass sie schon wieder ver­al­tet ist oder die Konkur­renz schneller war“, warnt Neuburger.

Prozesse werden beschleunigt

In dieser beschle­u­nigten Welt zählen dig­i­tale Prozesse und Tech­nolo­gien im Büro zum Pflicht­pro­gramm. Sat­tler­meis­ter Büt­tner etwa nutzt pri­vat wie geschäftlich Instant Mes­sag­ing, spe­ichert Dat­en in der Cloud, hat die Finanzbuch­führung dig­i­tal­isiert. Eine Mitar­bei­t­erin gibt bei ihm Dat­en ins Buch­führung­spro­gramm ein, auf die der Steuer­ber­ater eben­falls zur Weit­er­ver­ar­beitung zugreifen und Auswer­tun­gen zurückschick­en kann. „So sind wir bei­de immer auf dem aktuell­sten Stand, und ich spare mir eine eigene Buch­hal­terin“, meint der Fir­menchef. Für Unternehmen wird es immer wichtiger, mit Bele­gen in dig­i­taler Form zu arbeit­en, da dies Abläufe und Entschei­dun­gen erhe­blich beschleunigt.

 Aktuelle Daten sind Gold wert

Auch die Delo Indus­trie Kleb­stoffe GmbH & Co. KGaA im bay­erischen Win­dach nutzt die Chan­cen der Dig­i­tal­isierung, in der Ver­wal­tung wie für ihre Pro­duk­te. Maßgeschnei­derte Spezialk­leb­stoffe des inter­na­tion­al aufgestell­ten, schnell wach­senden Mit­tel­ständlers steck­en in Chip­karten, Smart­phones oder Sen­soren, die die dig­i­tale Rev­o­lu­tion vorantreiben. Min­destens 30 Prozent des Umsatzes sollen mit Pro­duk­ten erzielt wer­den, die jünger als drei Jahre sind. Für seine Forschungsar­beit, die zeigt, wie sich die Spiegelun­gen auf Dis­plays mit­mil­fe trans­par­enter Kleb­stoffe reduzieren lassen, wurde der Hid­den Cham­pi­on 2014 mit dem Inno­va­tion­spreis der Deutschen Wirtschaft ausgezeichnet.

Wer wie Delo zu den Tak­t­ge­bern des dig­i­tal­en Fortschritts gehören will, forciert natür­lich umfassend die Dig­i­tal­isierung. „Buch­hal­tung, Steuern und Con­trol­ling gehören zu den Bere­ichen, die bei uns am stärk­sten dig­i­tal­isiert sind, und das nicht erst seit Kurzem“, sagt Thomas Zwerg­er, Mit­glied der Geschäft­sleitung sowie Leit­er Con­trol­ling und Admin­is­tra­tion. „Eine tage­sak­tuelle BWA, also eine betrieb­swirtschaftliche Auswer­tung, etwa ist für uns nichts Neues, weil wir unsere Buch­hal­tung inhouse betreiben und weil unsere bei­den geschäfts­führen­den Gesellschafter dem Con­trol­ling einen hohen Stel­len­wert beimessen und die oper­a­tive Tätigkeit sehr stark mit aktuellen Finanz­dat­en steuern.“

Auch mit dem Steuer­ber­ater, der die Fir­ma bei ihrem kon­tinuier­lichen Wach­s­tum seit Langem eng begleit­et und zudem im Auf­sicht­srat sitzt, sind Zwerg­er und sein Team ver­net­zt. Tech­nisch sieht er noch Opti­mierungs­be­darf: Es gebe zu viele Insel­lö­sun­gen und nicht genug Stan­dards oder Schnittstellen – dies erschwere das durchgängige Arbeit­en mit Dat­en in unter­schiedlichen Pro­gram­men. „So kommt es immer noch zu Medi­en­brüchen, weshalb Dat­en am Ende manuell über­tra­gen wer­den müssen.“ Dieses Prob­lem hofft Zwerg­er mith­il­fe des Steuer­ber­aters langfristig in den Griff zu bekom­men: „Angesichts sein­er vielfälti­gen Man­dan­ten­ba­sis kann er uns immer wieder Best-Prac­tice-Beispiele liefern, mit denen wir die dig­i­tal­en Ver­wal­tung­sprozesse weit­er opti­mieren können.“

Steuerberater als Impulsgeber

Die Dig­i­tal­isierung verän­dert also auch zunehmend die Rolle des Steuer­ber­aters, ger­ade in mit­tel­ständis­chen Betrieben, die ihre Daten­ver­ar­beitung aus­lagern. „Dort ist er jet­zt schon der wichtig­ste externe Part­ner und Berater und genießt hohes Ver­trauen“, erläutert Pro­fes­sor Thomas Egn­er, Inhab­er des Lehrstuhls für BWL, ins­beson­dere Betriebliche Steuer­lehre, an der Uni­ver­sität Bam­berg. „Durch neue tech­nis­che Möglichkeit­en kann er seinen Man­dan­ten entschei­dungsrel­e­vante Infor­ma­tio­nen wie eine BWA tage­sak­tuell zur Ver­fü­gung stellen und auf dieser Grund­lage betrieb­swirtschaftlich stärk­er beraten.“

Unter Umstän­den kön­nte der Steuer­ber­ater in kleinen Unternehmen kün­ftig sog­ar zu ein­er Schlüs­selfig­ur für die dig­i­tale Trans­for­ma­tion wer­den, so der Experte: „Dann näm­lich, wenn er die Dig­i­tal­isierung der Prozesse in den Unternehmen rund um die Daten­ver­ar­beitung vorantreibt und kon­tinuier­lich begleitet.“

Checkliste

Mit diesen Fra­gen stellen Sie Ihr Unternehmen­skonzept auf den Prüfstand

Der tech­nis­che Fortschritt zwingt Fir­menchefs dazu, ihre Geschäftsmod­elle zu über­denken. Wer fol­gende Fra­gen ehrlich beant­wortet, bes­timmt seine aktuelle Posi­tion und erhält wichtige Anre­gun­gen für die immer wieder aufs Neue erforder­liche Diskus­sion über die kün­ftige Strategie.

  • Inwiefern verän­dert die Dig­i­tal­isierung die Bedürfnisse mein­er Kunden?
  • Wie muss ich meine Ange­bote anpassen, damit meine Kun­den mir treu bleiben?
  • Welche Ser­vices kön­nten meine Pro­duk­t­palette sin­nvoll ergänzen?
  • Wie kann ich die Pro­duk­tion dig­i­tal­isieren, beispiel­sweise durch 3‑D-Druck?
  • Reicht meine Prob­lem­lö­sungskom­pe­tenz oder brauche ich Know-how oder Partner?
  • Mit welchen (neuen) Anbi­etern konkur­riere ich, wie kann ich mich von ihnen abgrenzen?
  • Wie kann ich dauer­haft zeit­nah auf die sich wan­del­nden Bedürfnisse der Kun­den reagieren?
  • Wie schaffe ich die entsprechen­den Struk­turen und tech­nis­chen Voraus­set­zun­gen im Betrieb?
  • Welche finanziellen Mit­tel muss ich wie ein­set­zen, um die Dig­i­tal­isierung zu meistern?

Bei Fra­gen sprechen Sie uns gerne an.


Quelle: TRIALOG, Das Unternehmer­magazin Ihrer Berater und der DATEV, Her­aus­ge­ber: DATEV eG, Nürn­berg, Aus­gabe 03/2016

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