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Burn-out: Wenn die Luft raus ist …

Immer mehr Menschen brennen nach permanenter Überforderung aus. Durch das Leiden steigen Fehler und Fehlzeiten. Wer Anzeichen für Burn-out-Gefahr sieht, sollte dringend sein Verhalten sowie die Verhältnisse im Betrieb ändern.

Autor: Ange­li­ka Knop


Stets hat­te Andrea Metz (Name von der Redak­tion geän­dert) davon geträumt, etwas mit Büch­ern zu machen – und sich zur lei­t­en­den Mitar­bei­t­erin eines Ver­lages hochgear­beit­et. Doch eines Tages saß sie total verzweifelt in der Prax­is der Psy­chother­a­peutin Clau­dia Croos-Müller in Bad Feilnbach: „Ich musste den kom­plet­ten Bankrott erk­lären.“ Weinend und türen­schla­gend war sie aus ein­er Besprechung gestürzt, hat­te sich danach unfähig gefühlt, zur Arbeit zu gehen. Daheim star­rte sie untätig die Wand an. Sie litt unter völ­liger kör­per­lich­er, geistiger und emo­tionaler Erschöp­fung, mit­tler­weile bess­er bekan­nt unter der Beze­ich­nung Burn-out.

Immer öfter verse­hen deutsche Ärzte ihre Diag­nose mit diesem Zusatz. 2004 gab es je 100 Ver­sicherte 0,6 Fehlt­age wegen Burnouts, 2011 waren es neun. Das hat die Bun­de­spsy­chother­a­peutenkam­mer in ihrer Studie „Arbeit­sun­fähigkeit und psy­chis­che Erkrankun­gen 2012“ aus Dat­en der geset­zlichen Krankenkassen errechnet.

Betrof­fen sind vor allem Angestellte in erzieherischen und ther­a­peutis­chen Berufen sowie Mitar­beit­er in Call­cen­tern. Zwei Drit­tel der Krankheit­stage ent­fall­en auf Frauen, vielle­icht weil sie häu­figer in diesen Berufen arbeit­en. Grund­sät­zlich aber kann es jeden tre­f­fen, der unter Leis­tungs­druck gerät oder ihn sich selb­st macht. „Wer vor Lei­den­schaft bren­nt, bekommt eher einen Burn-out als jemand, der auf mit­tlerer Flamme kocht“, weiß Clau­dia Croos-Müller. Denn diese Men­schen gön­nen sich oft zu wenig Pausen.

Andrea Metz schleppte sich auch krank in den Ver­lag, wenn „das Buch­pro­jekt toll war“, nahm Arbeit mit nach Hause und in den Urlaub. Außer­dem bemühte sie sich, allen Anforderun­gen ihrer Chefs gerecht zu wer­den. Und die wech­sel­ten oft, weil der Ver­lag bin­nen kurz­er Zeit mehrfach verkauft wor­den war, was zu ständig neuen Vor­gaben führte. Als sie immer gereizter wurde, Fehler machte, ihr Pen­sum nicht schaffte und schlecht schlief, ver­stand Andrea Metz diese typ­is­chen Warnsignale nicht. Sie arbeit­ete mehr statt weniger. „Das Gehirn muss gele­gentlich mal abschal­ten“, warnt die Psy­chother­a­peutin Croos-Müller. „Ständi­ge Ein­satzbere­itschaft, ver­stärkt durch die Nutzung von iPhone oder Black­ber­ry, über­lastet es.“

Präven­tion ist entschei­dend. Damit Unternehmer wie Mitar­beit­er diesen Zusam­men­hang nicht nur ver­ste­hen, son­dern daraus auch die Kon­se­quen­zen ziehen, schult Han­sjörg Beck­er sie in Sem­i­naren. „Klare Ziele und Struk­turen sowie Ver­lässlichkeit sind die beste Burn-out-Präven­tion im Betrieb“, betont der Grün­der und Geschäfts­führer des Beratungs­di­en­stes Insite-Inter­ven­tions GmbH in Frank­furt. Er will, dass die Teil­nehmer ler­nen, wie sie Anze­ichen für Stress erken­nen und gegen­s­teuern. Für beson­ders wichtig hält Beck­er die Arbeit mit Führungskräften. Sie müssten rechtzeit­ig erken­nen, ob jemand an seine Leis­tungs­gren­ze stoße, und angemessen reagieren. „Das ist aber sehr heikel“, hat der Psy­chi­ater und Ther­a­peut beobachtet. „Die haben Angst, in die Intim­sphäre ihrer Mitar­beit­er einzu­drin­gen.“ Um das The­ma trotz­dem ansprechen zu kön­nen, erhal­ten die Chefs einen Gespräch­sleit­faden. Sie ler­nen soge­nan­nte „Ich-Botschaften“, mit denen sie vor­sichtig auf den Punkt kom­men kön­nen: „Ich mache mir Sor­gen um Sie.“ Sie sollen Hil­fe anbi­eten, aber nicht auf­drän­gen – und vor allem wed­er Schuld zuweisen noch den Druck weit­er erhöhen. Der Tech­nolo­giekonz­ern Schott AG in Mainz hat mit solchen Train­ings gute Erfahrun­gen gemacht. „Unsere Führungskräfte sind sehr erle­ichtert und trauen sich jet­zt, auch The­men wie Burn-out anzus­prechen“, berichtet Mar­git Emmerich, Lei­t­erin der Abteilung Arbeitsmedi­zin und Prävention.

Außer­dem nutzt Schott das Employ­ee Assis­tance Pro­gram (EAP) von Insite-Inter­ven­tions, eine Art Sor­gen­tele­fon für die Mitar­beit­er der Kun­den­fir­men, die sich dort Experten­rat in allen Lebensla­gen holen kön­nen. Die anonyme Beratung außer­halb des eige­nen Unternehmens senkt die Hemm­schwelle und erhöht die Chance, dass jemand rechtzeit­ig vor dem Burn-out Hil­fe sucht. Nach dem Mot­to „Bleib gesund! Du bist mir wichtig“ bietet Schott seinen Mitar­beit­ern auch Kurse in Zeit‑, Selb­st- oder Stress­man­age­ment. In Gesund­heit­szirkeln erar­beit­en Mod­er­a­toren in vier bis acht Sitzun­gen mit ganzen Teams real­is­tis­che Lösun­gen, um Belas­tun­gen zu reduzieren.

Ähn­liche Pro­gramme kön­nen sich kleine und mit­tlere Unternehmen zum Beispiel auch vom TÜV SÜD in München ins Haus holen. Und wenn die Präven­tion ver­sagt, sucht der Lot­sen­di­enst von Insite-Inter­ven­tions einen Ther­a­pieplatz. Alle Pro­gramme aber helfen wenig, wenn das Betrieb­skli­ma nicht stimmt. Laut „Burn-out-Rank­ing“ der Askle­pios Kliniken GmbH in Ham­burg für das „Man­ag­er-Mag­a­zin“ haben unter den Dax- Konz­er­nen jene Unternehmen die höch­sten Burn-out-Rat­en, die seit langer Zeit umstruk­turi­eren und Stellen streichen.

Gemein­same Übun­gen helfen. Andrea Metz war einen Monat krankgeschrieben, ging regelmäßig zum Walken, fing an, im Chor zu sin­gen – und acht­sam mit sich umzuge­hen. Clau­dia Croos-Müller emp­fiehlt dafür die „Body2Brain“-Methode. Kleine Kör­perübun­gen bee­in­flussen das Bewusst­sein und heben die Stim­mung: Kopf hoch, Arme schwin­gen oder den Atem bewusst wie durch einen Stro­hhalm „schlür­fen“. Mit kleinen Maß­nah­men hat sie schon ganze Abteilun­gen „ther­a­piert“. Gemein­sames Üben macht Spaß und lock­ert die Atmo­sphäre. Im Ver­lag von Andrea Metz jedoch blieb die Sit­u­a­tion anges­pan­nt. Dafür hat­te sie nach ihrer Ther­a­pie die Kraft, sich einen neuen Arbeit­splatz zu suchen.

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