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Gelangensbestätigung: noch mehr Formulare

Eine neue Dokumentation soll Umsatzsteuerbetrug bei Lieferungen zwischen den EU-Staaten eindämmen. Solange noch um das Bürokratie-Monster namens Gelangensbestätigung gestritten wird, gelten die alten Regelungen weiter.

Autorin: Midia Nuri


Veroni­ka von Treskow will ihre Empörung nicht ver­ber­gen. „Es ist unglaublich, dass wirtschafts­ferne Experten eine so weitre­ichende und für Unternehmen belas­tende Regelung pla­nen“, schimpft die Prokuristin der Techno­plast v. Treskow GmbH, ein­er Ver­trieb­s­ge­sellschaft für tech­nis­che Kun­st­stoffe in Lahn­stein bei Koblenz. Schon als sie zum ersten Mal von dem Vorhaben hörte, war ihr klar: Die Nov­el­lierung der Nach­weispflicht­en für die steuer­freie innerge­mein­schaftliche Liefer­ung bedeutet für ihren Betrieb einen enor­men Zusatza­ufwand. „Wir müssten jeden unser­er Kun­den in den EU-Staat­en einzeln bit­ten, den Erhalt ein­er Liefer­ung auf dem vorgeschriebe­nen For­mu­lar zu quit­tieren“, fürchtet von Treskow. „Wie soll das denn gehen?“ Tele­fonieren. Briefe schreiben. Jed­er Liefer­ung Briefum­schläge mit Rück­por­to bei­le­gen. Es dürfte viel Zeit und Geld kosten, wenn Expor­teure kün­ftig die von der Bun­desregierung geplante soge­nan­nte Gelan­gens­bestä­ti­gung vor­legen müssen, damit eine Liefer­ung ins EU-Aus­land steuer­frei bleibt.

Kom­pliziert­er Nach­weis. Mit diesem ein­heitlichen Vor­druck soll der gren­züber­schre­i­t­ende Umsatzs­teuer­be­trug eingedämmt wer­den. Doch quer durch alle Branchen laufen die Wirtschaftsver­bände dage­gen Sturm. Das Bun­des­fi­nanzmin­is­teri­um hat daher ein Schreiben, das die Neuregelung pax­is­näher gestal­ten soll, bere­its zum zweit­en Mal ver­schoben. Nun soll eine weit­ere Änderung der Durch­führungsverord­nung Abhil­fe schaf­fen. Wann und in welch­er Form, ist noch offen.

Um Steuer­frei­heit zu erlan­gen, bleibt es daher in ein­er Über­gangsphase bei der alten Regelung. Liefert ein deutsch­er Unternehmer eine Ware in ein anderes EU-Land, muss er nach­weisen, dass sie ins Gemein­schafts­ge­bi­et befördert wurde. Er hat dann auf den Waren­wert keine Umsatzs­teuer ans Finan­zamt zu zahlen.

Welchen Nach­weis er dafür erbrin­gen muss, richtet sich bish­er danach, ob das Unternehmen selb­st, ein von ihm oder dem Abnehmer beauf­tragter Liefer­ant oder der Abnehmer selb­st den Gegen­stand befördert. Je nach Kon­stel­la­tion kann dieser Nach­weis kom­pliziert werden.

Keine echte Verbesserung. Um das Ver­fahren zu vere­in­fachen, trat bere­its zum Jahres­be­ginn die Änderung der Umsatzs­teuer-Durch­führungsverord­nung (USt­DV) in Kraft. Sie sieht vor, dass die Rech­nungskopie sowie die neue, für alle erden­klichen Liefer­vari­anten ein­heitlich gestal­tete Gelan­gens­bestä­ti­gung in Zukun­ft die bish­eri­gen Nach­weise erset­zen. So sollen Unternehmer für alle Liefer­vari­anten stan­dar­d­isiert nach­weisen kön­nen, dass der von ihnen verkaufte Gegen­stand, für den sie die Umsatzs­teuer­frei­heit beanspruchen, auch tat­säch­lich in einem EU-Mit­glied­staat angekom­men ist. Der Außen­han­del erhalte dadurch eine „ein­fachere und ein­deutige Nach­weis­regelung“, ver­sprach der Entwurf der Verord­nung von Okto­ber 2011.

Doch was sich so schlicht und schlau anhört, ist für exportierende Unternehmen in der Prax­is kaum zu leis­ten. Wie sollen sie zum Beispiel kon­trol­lieren, ob wirk­lich eine befugte Per­son die Gelan­gens­bestä­ti­gung unterze­ich­net? Und wie kön­nen sie sich­er­stellen, dass der Kunde das ihm unbekan­nte For­mu­lar nach der Liefer­ung zeit­nah aus­füllt – zumal ver­mut­lich viele Abnehmer die vorgeschriebe­nen Sprachen Deutsch, Englisch oder Franzö­sisch gar nicht beherrschen?

Hoher Bürokratieaufwand. Ver­schiedene Wirtschaftsver­bände sowie Kam­meror­gan­i­sa­tio­nen protestierten gegen die Neuregelung. In dieser Form wür­den die Nach­weispflicht­en „ins­beson­dere kleine und mit­tlere Unternehmen erhe­blich belas­ten“, bemän­gelt unter anderem Wil­fried Holl­mann, Präsi­dent des Mit­tel­standsver­bunds in Berlin. Er nen­nt als Beispiele unter anderem die Versender von Auto- oder son­sti­gen kleineren Ersatzteilen sowie von Büch­ern, Klei­dung oder von Elektronikzubehör.

Ger­ade Mit­tel­ständler müssten mit deut­lichem Mehraufwand und hohen Kosten kämpfen und hät­ten keine per­son­ellen oder finanziellen Kapaz­itäten, um bei Abnehmern im EU-Aus­land die Unterze­ich­nung der Gelan­gens­bestä­ti­gung durchzuset­zen. „Damit ist für die Fir­men die Steuer­frei­heit ihrer Exporte bedro­ht“, fürchtet Holl­mann. Indus­trie- und Han­del­skam­mern macht­en Druck mit dem Umfrageergeb­nis, bis zu 20 Prozent der betrof­fe­nen Unternehmen kön­nten wegen der Neuerung einen Teil ihres Ver­triebs ins europäis­che Aus­land verlagern.

Für Techno­plast gäbe es durch die Gelan­gens­bestä­ti­gung bei jed­er zehn­ten Liefer­ung zusät­zlichen Aufwand: Im Schnitt sind das täglich 35 Bestel­lvorgänge. Die derzeit­ige Änderung der Verord­nung bet­rifft aus­gerech­net das aufwendi­ge Geschäft mit Kleinbestel­lun­gen, die über den Online-Shop hereinkom­men – vor allem von kleinen Werk­stät­ten und anderen Ver­ar­beit­ern in Öster­re­ich und den übri­gen Nach­barstaat­en. Dieser Ver­trieb­sweg würde zum Prob­lem, denn über den Online-Shop wer­den oft Artikel aus dem Niedrig­preis­sek­tor verkauft. Veroni­ka von Treskow zeigt eine Rech­nung vom Vortag über einen Kun­st­stoff­stab für 17,95 Euro. „Abzüglich zehn Prozent Neukun­denra­batt, plus Ver­sand­kosten­pauschale“, sagt sie. „Bei solchen Preisen würde der Verkauf durch den zusät­zlichen bürokratis­chen Aufwand unwirtschaftlich.“

Über­gangsweise kann auf die Gelan­gens­bestä­ti­gung verzichtet wer­den. Wenn die geplante Neuregelung jedoch nicht noch durch in Aus­sicht gestellte Alter­na­tiv­en ergänzt wird, kön­nte sie das Aus für viele kleinere Liefer­un­gen aus Deutsch­land in andere EU-Staat­en bedeuten.

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