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Mitarbeitergespräch: Anschreien führt kaum zum Ziel

Der offene Austausch mit den Beschäftigten ist ein wichtiges Führungsinstrument. Wer sich dafür regelmäßig Zeit nimmt, löst viele Konflikte bereits im Vorfeld und kann so das Potenzial seiner Mitarbeiter optimal nutzen.

Autor: Pia Weber


Man stelle sich vor, ein Mann kommt abends nach Hause. Seine wütende Ehe­frau empfängt ihn mit den Worten: „Jahre­lang habe ich mir anse­hen müssen, wie du deine Sock­en über­all rum­liegen lässt. Aber jet­zt reicht es mir. Ich gehe mor­gen zum Schei­dungsan­walt.“ Die Vorstel­lung von einem der­art unver­mit­tel­ten und endgülti­gen Bruch klingt natür­lich absurd. Genau daher nutzt Wil­fried Braig das Beispiel. Der Experte für Per­son­althe­men, der in Führungspo­si­tio­nen in ver­schiede­nen Indus­triebe­trieben seine Erfahrun­gen gemacht hat, will so verdeut­lichen, wie man­gel­nde Kom­mu­nika­tion im ungün­stig­sten Falle aus­ge­ht: „Im oper­a­tiv­en Geschäft reden die Chefs zwar mit ihren Leuten, geben Anweisun­gen oder kor­rigieren etwas.“ Das sei aber nicht zu ver­wech­seln mit einem sys­tem­a­tis­chen Mitar­beit­erge­spräch, für das ein Ter­min anber­aumt und genug Zeit einge­plant wer­den muss. „Nur dabei kön­nen grund­sät­zliche Ein­schätzun­gen, Strate­gien oder eben auch Fehlen­twick­lun­gen in Ruhe erörtert werden.“

Oft genug zusam­menset­zen. Gut vor­bere­it­ete und intel­li­gent geführte Mitar­beit­erge­spräche sind deshalb wichtig, weil die deutsche Wirtschaft so hoch entwick­elt ist. Die Organ­i­sa­tion­spsy­cholo­gin Brigitte Win­kler betra­chtet diese inten­sive Art der Kom­mu­nika­tion mit den Beschäftigten als strate­gis­ches Führungsin­stru­ment, da sich viele Mitar­beit­er immer mehr zu Experten auf ihrem Gebi­et entwick­el­ten. Deren Arbeit­sleis­tung kön­nten Vorge­set­zte oft gar nicht mehr ganz überblick­en. „Darum ist es wichtig, dass in geziel­ten Gesprächen zu erre­ichende Ziele, sich ändernde Fak­toren und zu erwartende Ergeb­nisse besprochen wer­den“, sagt Brigitte Win­kler. Nur so sei für alle im Betrieb ein koor­diniertes Agieren möglich und Hand­lungssicher­heit gegeben.

Bei der Adlon Daten­ver­ar­beitung Sys­tems GmbH in Ravens­burg mit rund 70 Mitar­beit­ern müssen die Team­leit­er deshalb zweimal jährlich Mitar­beit­erge­spräche führen. „Wollen wir uns mal in aller Ruhe zusam­menset­zen?“ ist bei dem IT-Sys­temhaus keine Frage, die Ärg­er sig­nal­isiert. Im Gegen­teil. „Regelmäßige Mitar­beit­erge­spräche drück­en eine Wertschätzung gegenüber der Belegschaft aus und sind eine sichere Meth­ode, um mögliche Fehlen­twick­lun­gen rechtzeit­ig zu kor­rigieren“, ist Geschäfts­führer Andreas Rich­stät­ter sich­er. Die The­men bei so einem Aus­tausch sind bre­it gefächert und reichen von der Auf­gaben­verteilung inner­halb ein­er Arbeits­gruppe über die Wün­sche nach ein­er neuen Auf­gabe bis zum indi­vidu­ellen Qual­i­fika­tions­be­darf. Ein­mal im Jahr ste­ht auch das Gehalt auf der Agen­da. „Wir warten ger­ade bei diesem sen­si­blen The­ma nicht, bis vielle­icht Unmut aufkommt, son­dern gehen es aktiv an“, erläutert der Unternehmer.

Gespräch gut struk­turi­eren. Vor dem Ter­min füllen Mitar­beit­er und Vorge­set­zter einen stan­dar­d­isierten Bogen aus, der den Gesprächsver­lauf gliedert. Es geht immer um eine Ist­analyse, die Zusam­me­nar­beit mit Kol­le­gen und anderen Bere­ichen oder Abteilun­gen und die Ein­schätzung der eige­nen Kom­pe­tenz. Sie bildet auch die Grund­lage für weit­ere Schritte zur Per­son­alen­twick­lung. Außer­dem wer­den Ziele und das The­ma Gehalt erörtert. Anschließend fassen die Gesprächspart­ner die Ergeb­nisse schriftlich zusam­men und beurteilen das Gespräch. „Sich­er kostet das Zeit“, sagt Rich­stät­ter. „Aber selb­st bei emo­tionalen The­men kommt es dann eben nicht zum großen Knall, da wir schon vorher reagieren kön­nen.“ Über das Gehalt etwa wurde vor vier Jahren stark disku­tiert. „Wir haben deshalb eine Kien­baum-Gehaltsstudie als objek­tiv­en Ver­gle­ichs­maßstab her­an­zo­gen, um unsere Mitar­beit­er zu überzeugen.“

Schnell über Lösun­gen reden. Der Fir­menchef selb­st wird aktiv, wenn keine Eini­gung möglich scheint – etwa bei der Wahl des Dienst­wa­gens. Nicht jed­er Mitar­beit­er mag die infrage kom­menden Marken. „Im per­sön­lichen Gespräch ver­ste­hen sie aber, dass ich keine Aus­nahme machen kann“, berichtet Rich­stät­ter. „Oft find­en wir dann eine alter­na­tive Regelung.“ Auf Anrat­en des Steuer­ber­aters bietet der Unternehmer etwa an, das gewün­schte Auto selb­st anzuschaf­fen. Dann ver­mi­etet es der Betr­e­f­fende an die Fir­ma, die es ihm als Geschäftswa­gen zur Ver­fü­gung stellt. „Spätestens mit diesem Vorschlag sind die Wogen geglät­tet und alle zufrieden“, erk­lärt Rich­stät­ter. Genau das zählt für den Unternehmer, um in ein­er Branche erfol­gre­ich zu bleiben, die schon lange unter Experten­man­gel lei­det. Entschei­dend aber ist das Tim­ing. „Je später man ein Prob­lem anspricht, umso länger dauert die Besei­t­i­gung“, weiß Experte Wil­fried Braig. Jed­er Vorge­set­zte sollte die Eskala­tion­sphasen ken­nen, in denen es Lösungsan­sätze gibt. So hätte die wütende Ehe­frau ihrem Mann in einem Moti­va­tion­s­ge­spräch sagen kön­nen, dass sie das Sock­en­prob­lem stört. Sie hätte im Kri­tikge­spräch mit Nach­druck ihre Unzufrieden­heit erk­lären kön­nen. Und sie hätte im Kon­flik­t­ge­spräch die Möglichkeit nutzen kön­nen, „Es reicht“ zu sagen. Das hätte ihr vielle­icht die Schei­dung erspart.


Quelle: TRIALOG, Das Unternehmer­magazin Ihrer Berater und der DATEV, Her­aus­ge­ber: DATEV eG, Nürn­berg, Aus­gabe 03/2012

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